Die Mikrozirkulation im Focus der öffentlichen Diskussion

 

Berlin/Mainz. 30.12.2014  Im Rathaus zu Mainz und in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin fanden zwei Gesprächsabende statt. Akteure und Entscheider aus der Gesundheitspolitik und Medizin sowie der Fachöffentlichkeit waren zu zwei Gesprächsabenden eingeladen.

 

 
Rathausgespräch in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin: Dr. med. Christian Moerchel, Chairman der Rathausgespräche, Erwin Rüddel, Mitglied des Deutschen Bundestages, Ingrid Fischbach, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Peter Gleim, Bemer Int. AG, Dr. phil. Michael Moerchel, Moderator (v.l.n.r.).
 
 
Zitate aus den Rathausgesprächen:

Prof. Dr. Rainer Klopp, Leiter des Instituts für Mikrozirkulation in Berlin,

berichtet von Forschungsergebnissen, die zeigen, dass sich die Mikrozirkulation durch physikalische Reize beeinflussen lässt.

 

  Prof. Knut Kröger, Direktor der Angiologie am Krefelder Helios-Klinikum,

merkte an, dass die Anzahl chronischer Erkrankungen wie Diabetes erheblich angestiegen ist. Durch bessere therapeutische Versorgung werden höhere Lebensalter erreicht, die häufig von chronischen Erkrankungen betroffen sind. Da jedoch oft nur große Gefäße chirurgisch rekanalisiert werden können, besteht tatsächlich eine erhebliche Nachfrage bezüglich einer Methode zur spezifischen Therapie der Mikrozirkulation.

Sollte durch Studien die Wirksamkeit der Therapie ausreichend belegt werden können, würde dies die Gefäßmedizin um einen fehlenden Therapieersatz bereichern.

 

Espinola Die Mainzer Angiologin Prof. Christine Espinola-Klein

bemerkte, dass sie die Grunddaten von Dr. med. Klopp für überzeugend hält, Es sollte in einer verblindeten Studie gezeigt werden, dass die physikalische Therapie noch besser wirkt. 
 
 

 

 

 

 

 Mit einer Frage an Politiker beschließt Dr. Christian Moerchel die Diskussion im Mainzer Rathaus:

„Was kann die Politik zu medizinischen Maßnahmen beitragen und wie kann ein Paradigmenwechsel stattfinden, damit nicht nur chirurgische Maßnahmen sondern auch komplementäre Therapien unterstützt werden“

Die Antwort des Landtagsabgeordneten Dr. Enders: „Die Gesundheitspolitik lässt sich vergleichen mit dem Ritt auf einem Drahtseil. Es bestehen oft beschränkte Mittel und die Daten müssen überprüfbar sein. Dennoch setzt die Politik den Rahmen für die Behandlung und Prävention chronischer Erkrankungen.“

 

Staatssekretärin Fischbach: Sehr interessiert an der Therapie zur Mikrozirkulation

Die Berliner Veranstaltung in der Parlamentarischen Gesellschaft eröffnete die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit Ingrid Fischbach. Runden wie diese zeigten, so die CDU-Bundestagsabgeordnete, auf wieviel Expertenwissen die Politik zurückgreifen könne. „Daher taugt Berlin allemal für Sie zur Vernetzung und Kooperation mit anderen“, so Fischbach. Sie betonte, dass das Gesundheitsministerium stark auf Vernetzung setze, weil nur mit allen wesentlichen Akteuren im Gesundheitssystem gemeinsam die Prozesse verbessert werden können. Fischbach:„Dass Sie als Experten sich hier in Berlin zusammensetzen macht Sinn. Ich bin sehr interessiert an Ihren Ergebnissen zur Therapie der Mikrozirkulationsstörung. Lassen Sie uns wissen, wenn diese in die politische Beratung einfließen sollten. Ich freue mich, wenn ich die „Rathausgespräche“ dann wieder in Berlin begrüßen kann.“

 

Prof. Dr. med. Karl Werdan, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle,

erläuterte zu Beginn der Berliner Gesprächsrunde den Unterschied der erforschten Makrozirkulation und der weitaus unbekannteren Mikrozirkulation: Eine adäquate Organfunktion fordere eine ausreichende Organdurchblutung. Grundvoraussetzung dafür sei ein funktionierendes System der Makro- und Mikrozirkulation. Die Auswirkung einer schlechten Blutzirkulation durch die mit 0,1 bis 0,001 mm Durchmesser großen Gefäße sei bislang vernachlässigt worden. Am Zentrum für Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle seien Beobachtungen ausschlaggebend gewesen für Überlegung, wie die Mikrozirkulation verbessert werden könne. Klar ist, dass es bis heute keine medikamentöse Therapie gibt. Daher wird zur Zeit in einer klinischen Studie mit zehn Intensiv-Patienten geprüft, ob eine Physikalische Gefäßtherapie einen positiven Wirksamkeitsnachweis erbringt und ein möglicher Therapieansatz zur Behandlung der gestörten Mikrozirkulation ist.

 

Die Stimulationstherapie sei grundsätzlich nichts Neues, sagte Dr. Joachim Piatkowski, in seinem Vortrag:

 „Ein Blasenschrittmacher oder ein implantierter Defibrillator sind in der Invasiv-Medizin gängige Therapie.“ In der Neurologie könne die Stimulation der Mikrozirkulation durch die Physikalische Therapie durchaus ähnlich weitreichend erfolgreich sein.

 

Prof. Dr. Dr. Fred Harms

ging noch einen Schritt weiter. Für den Mediziner von der Sigmund Freud Universität Wien und Vizepräsident der Europäischen Stiftung für Gesundheit ist es keine Frage, dass die geschädigte Mikrozirkulation ursächlich ist für die größten Volkskrankheiten – wie etwa Diabetes. Hier müssten, auch aus volkswirtschaftlichen Gründen, alle Mittel und Wege genutzt werden, um Folgeerkrankungen wie etwa Amputationen zu vermeiden. Zahlreiche Studien und Veröffentlichungen hätten bereits belegt, dass die Physikalische Gefäßtherapie dazu ein geeignetes Mittel ist. Sein Appell: „Die enorme Bedeutung der Vasomotion im Kapillargefäßsystem macht immerhin 74 Prozent der Gesamtdurchblutung aus. Medikamentös ist diese nicht zu behandeln. Neue Wege in der Indikation zu beschreiten, fällt Ärzten oft schwer.“

 

Darauf eingehend stellt Prof. Klopp fest: „Dass Ärzte Traditionalisten sind, ist eine gute Eigenschaft. Denn ihre Aufgabe ist es, für den Patienten genau hinzusehen. Aber es gehe nicht um das entweder oder bei der Physikalischen Gefäßtherapie, sondern um ein miteinander von Schulmedizin und weiterer Therapie zum Nutzen des Patienten.

 

Peter Gleim, Chef der Bemer AG International bedauert, dass Mediziner zu oft indikationsbezogen und nicht ganzheitlich denken würden. Insofern sei zu befürchten, dass schon im Grundsatz das Verständnis und das Wissen um und für die Mikrozirkulation fehlen würde.

 

Für das DAK-Hauptstadtbüro stellte Eva Walzik fest, dass die GKV auf eine evidenzbasierte Beurteilung von Neuem nicht verzichten kann. Schließlich sei das Gesundheitssystem ein solidarisches, in dem 80 Prozent Gesunde für 20 Prozent Kranke aufkommen. Daher müsse sichergestellt werden, dass Menschen das bekommen, was sie auch wirklich benötigen. Um diese Beurteilung zu bekommen, sei es auch möglich, Krankenkassen direkt anzusprechen und gemeinsam einen Nutzen zu bewerten.

 

Als Schulmediziner würde er sich immer die Tür zu neuen Therapien offen lassen, so der Chairman der Rathausgespräche Dr. med. Christian Moerchel. Er erhoffe sich dies auch von anderen Kollegen und versuche eben durch die Rathausgespräche Verständnis zu wecken. Dabei sei aber Offenheit in der Diskussion sinnvoll und der Auftrag wäre nun, die Beweislage anzutreten, um die Wirkung der Therapiemaßnahmen darzustellen.